Zeit: Mirror of our time? Normcore boring not boring
Auf LinkedIn habe ich diese Woche gelesen, dass Zeit unser größtes und höchstes Gut ist. Okay, I know, eine neue Erkenntnis ist das nicht. Aber hier war es vor allem in einem beruflichen Kontext genannt. Also, dass Dinge besser werden, wenn man sich Zeit dafür nehmen kann. Da schwadronierte jemand über die Vorzüge einer Bäckerei, als könnte man mit ausreichend Zeit plötzlich den heiligen Gral des perfekten Croissants entdecken. Im Berufsleben scheint das Sanduhr-Prinzip nur dann eine Rolle zu spielen, wenn es um die Effizienzsteigerung geht. Ein Relikt der Industrialisierung, als die Devise lautete: schneller, mehr, härter. Akkordarbeit – die gute alte Zeit, als Menschen durch Maschinen ersetzt wurden, und alles war tutti. Denn schließlich sind Maschinen in der Lage, die Zeit optimal auszunutzen. Sie müssen net ums Eck, haben keinen Hunger und Kopfschmerzen sind ihnen ebenfalls fremd. Doch scheinbar geht diese Rechnung nicht ganz auf. Dafür klappt das aber hoffentlich mit meinem Outfit, das ist, passend zum Text, Normcore gewidmet. Irgendwie ein Trend und alles andere als langweilig.
Zeit für Genuss – auf Knopfdruck bitte
Also, wie gesagt, diese glorreiche Gleichung scheint nicht ganz aufzugehen. Selbst in Zeiten der Automatisierung benötigen Menschen scheinbar Momente, um Dinge besser zu machen. Ein Paradigmenwechsel? Vielleicht nicht, denn jetzt kommt die KI ins Spiel. Sie soll uns beim Denken unterstützen und es vielleicht sogar auch gleich ganz übernehmen. Fantastisch! Doch während alles um uns herum angeblich besser, effizienter und schneller wird, frage ich mich: Wo zur Hölle bleibt die versprochene zusätzliche Zeit? In diesem Streben nach Effizienz und Fortschritt müssten wir doch massig Zeit übrig haben – für die wirklich wichtigen Dinge. Also unsere Freunde, Hobbys, Partner – diese Liste lässt sich wahrscheinlich endlos verlängern und beinhaltet auch für jede und jeden etwas anderes. Aber gerade diese Woche, habe ich gemerkt, dass manchmal kaum Zeit bleibt, um die wirklich wichtigen Dinge zu genießen. Denn Genießen auf Knopfdruck ist in etwa so schwer, wie jede andere Gefühlsregung auch, die sich von jetzt auf gleich einstellen soll. Ich finde der Normcore-Trend passt perfekt zu diesem Beitrag, bei dem das Outfit auf das Wesentliche reduziert ist. Schnörkellos – aber alles andere als langweilig.
Zeitgeist in Kleidung gepackt:
Normcore
Ist gewonnene Zeit eine Illusion?
Doch in diesem scheinbar endlosen Streben nach Perfektion und Schnelligkeit frage ich mich, ob nicht manche Dinge einfach Zeit zum Reifen brauchen. Wie ein guter Käse, ein exquisiter Wein oder der perfekte Natursauerteig. Am Ende des Tages bleibt die gewonnene Zeit vielleicht nur eine Illusion. Eine Art Nebeneffekt des Perfektionierung-Zwangs, in dem wir uns befinden. Vielleicht sollte man sich die Zeit nehmen, innezuhalten, und Momente für das Wesentliche zu reservieren. Doch wer findet schon die Muße für solch sentimentale Gedanken? Und selbst, wenn ich die Muße hätte, meistens lässt es meine Zeit nicht zu. Wobei ich mich schon frage, warum das so ist? Ist es die Angst, etwas zu verpassen und halt irgendwo nicht dabei zu sein? Oder bin ich mit Ende vierzig jetzt einfach langsamer geworden? Vielleicht ist es an der Zeit, einen Schritt zurückzutreten, die Tempo-Schleife zu unterbrechen und sich bewusst zu machen, dass Qualität eben Zeit erfordert. Das gilt allen voran auch für diese Texte. Die brauchen sogar ziemlich viel Zeit und für manche Outfits gilt es ebenfalls – wobei ein Normcore-Outfit nicht dazugehört. Dieser Trend ist auch perfekt für eine capsule wardrobe, wo sich alles mit allem kombinieren lassen sollte.
Wie spart man Zeit?
Aber trotzdem: Das Hamsterrad dreht sich weiter, und wir sind die fleißigen kleinen Nager, die hoffen, durch das nächste große Ding in der Welt der Produktivitäts-Apps oder der Selbstoptimierung endlich ausbrechen zu können. Die Ironie dabei? Während wir uns in Workshops zum Zeitmanagement und zur Steigerung der persönlichen Effizienz weiterbilden, verbringen wir genau jene Zeit, die wir eigentlich einsparen wollten, um mehr davon zu haben. Es ist, als würde man versuchen, Wasser zu sparen, indem man einen zweiten Wasserhahn aufdreht, um das aus dem ersten fließende Wasser aufzufangen. Mal ganz davon abgesehen, gibt es dann noch die sozialen Medien – das schwarze Loch unserer Zeit. Da bin ich schließlich auch ganz vorne mit dabei. Plattformen, die versprechen, uns zu verbinden, schlucken Minuten und Stunden mit der Effizienz eines Staubsaugers. Hier wird der Begriff „Zeitvertreib“ zur Realität, in der das Scrollen durch endlose Feeds die neue Definition von Zeitinvestition ist. Auch da tauschen wir unsere wertvollen Lebensmomente gegen, ja wogegen eigentlich? In der Arbeitswelt wird die Idee des Multitasking als heiliger Gral der Produktivität verkauft. Die Wahrheit ist jedoch, dass wir uns in eine Generation von Jongleuren verwandeln, die ständig Gefahr laufen, einen dieser „Bälle“ fallen zu lassen.
Manches braucht eben Zeit, wie Käse oder Wein
Zudem glaube ich, dass das auch eine Frage des Alters ist, denn um beim Beispiel des Jongleurs zu bleiben: Irgendwann lässt die Hand/Augen-Koordination wahrscheinlich auch nach. Oder man hält gar nicht so lange durch. Schließlich kennen wir alle schon Menschen (und auch wesentlich jüngere Menschen) mit Burnout. Vermutlich sind wir eine Generation, die zwar exzellent im Umgang mit Stress ist, aber vergessen hat, wie man tief durchatmet und den Moment genießt. Und selbst wenn wir das noch können, die Generationen, die uns nachfolgen, haben da kein leichtes Erbe zu bewältigen. Vielleicht ist es an der Zeit, das Narrativ umzuschreiben. Statt ständig zu versuchen, die Zeit zu „managen“, als wäre sie ein ungezogenes Kind, das diszipliniert werden muss, sollten wir vielleicht lernen, sie zu respektieren. Eben genau wie beim Käse, dem Wein und dem Teig. Dieser Prozess geht nämlich weder mit einer To-do-Liste noch einer Time-Managen-App schneller. Oder? Eben!
Ist Erfolg ein Gradmesser für effizient genutzte Zeit?
Jepp – das sind heute wirklich sehr nachdenkliche Zeilen. Das liegt sicher daran, dass ich im Moment in meinem Brotjob wirklich viel Arbeit habe. Aber nicht allein – denn ob ich meine Zeit effizient nutze, ist ein Gedanken, der mich immer mal wieder umtreibt. Und vielleicht ist das schon völlig falsch gedacht. Denn was genau heißt denn „effizient genutzte Zeit“. Das ist wahrscheinlich so individuell, wie die Menschen selbst und in meinen Augen auch gar keine messbare Größe. Noch nicht mal der Erfolg ist ein Gradmesser für die Zeitinvestition. Wenn er das nämlich wäre, dann bin ich wohl die erfolgloseste Bloggerin und Influencerin aller Zeiten. Bei all der Zeit, die ich in dieses Business investiere, müsste ich doch schon wirklich steinreich sein. But guess what? I’m not! Zumindest nicht monetär, an Erfahrung hingegen bin ich in dieser Branche wirklich schon stinkreich und die einzige wahre Lektion in diesem Business ist: um hier wirklich erfolgreich zu sein, muss einem ALLES EGAL sein. Die Arbeitsplätze, die Umwelt, die Menschen, alles eben – jede/r ist sich selbst am nächsten. Das ist der einzige Leitsatz, den man beherzigen sollte, wenn man im Influencer-Business durchstarten möchte. Und sorry, das hört sich zynischer an als beabsichtigt – es entspricht aber einfach der Wahrheit. Zumindest bis man erfolgreich ist, dann könnte man vielleicht sogar etwas Gutes bewirken. Aber wenn einem eine Weile alles egal sein muss, dann ist das vielleicht auch schon in Fleisch in Blut übergangen. Und sorry, ich weiß, das ist eine gewagte These – aber es ist mein über die Jahre gewonnener Eindruck.
Erfolg: ein Gradmesser für effizient genutzte Zeit?
Danke für Eure Zeit
Sodele, liebste Leserschaft, es tut mir leid – aber irgendwie bin ich heute auf Abwegen, denn der ganze Text wurde zynischer als beabsichtigt. Aber so ist das manchmal und der Blogpost spiegelt meine Gedanken zum Thema gerade sehr gut wider. Dass ich hinsichtlich des Themas „Zeit“ nicht die einzige bin, die sich darüber Gedanken macht, hatte mir dann dieser kurze Beitrag in auf LinkedIn gezeigt. Auch wenn das Bäckerhandwerk metaphorisch erhalten musste, es steckt viel Wahrheit drin. Reifeprozesse benötigen eben Zeit und das gilt auch für uns Menschen und eben auch für Projekte. Die werden genau wie Wein, Käse und Teig auch besser, wenn man sie mal ruhen lässt, Dinge zu Ende denken und sie vielleicht auch mal auf Links drehen kann. Allerdings gilt das nicht für mein Outfit – das bleibt so wie es ist. Normcore steht wohl ursprünglich für „normale“ Outfits und die Wortschöpfung besteht aus den beiden Worten „normal“ und „hardcore“. Insofern eigentlich perfekt für mich und meinen Blog hier – denn das beschreibt mich ebenfalls sehr treffend. Nur eine Prise Verrücktheit müsste man wohl dazu addieren. Und ich freue mich jetzt sehr über Eure Meinung, sei es zur Zeit, zum Look oder zum Käse. Ich danke für Eure Zeit, fürs Lesen und für einen Kommentar – habt nen feinen Sonntag und eine gute Woche.
Details vom Outfit
Hose
Gerry Weber – diese Hose habe ich schon länger. Zu diesem Kauf hatte ich mich damals von Alex vom SiebenSonnen-Blog influencen lassen. Alex hat einen tollen Stil und ein Besuch auf ihrem Blog oder ihrem Insta-Kanal ist immer ne gute Idee.
Cardigan
H&M – hab ich ebenfalls schon länger. Ist aber immer wieder im Einsatz, weil ich die Länge mag und so ein Cardigan ist die perfekte Wahl, wenn ich nicht weiß, was ich anziehen soll.
Longsleeve
H&M – gibt’s aber auch bei Juvia in vielen Farben mit V-Ausschnitt (Provisionslink) oder mit Rundhals (Provisionslink)und ist aus der Übergangszeit und aus Normcore-Looks nicht wegzudenken. Solltet Ihr andere Labels präferieren, findet Ihr beim Breuninger eine große Auswahl – so wie dieses hier von Boviva (Provisionslink).
Schuhe
Dune – die habe ich schon sehr lang und sie schon öfter zum Schuster getragen. Ein echt cooles Modell habe ich bei otherstories (Provisionslink) gesehen.
Tasche
Vee collective – habe ich Euch schon x-Mal gezeigt. Ist aus meinem Alltag nicht wegzudenken. Das aktuelle Modell der Porter findet Ihr auch beim Breuninger (Provisonslink).
2 Comments
EvelinWakri
Liebe Conny,
mir schwirrt jetzt der Kopf und ich muss meine Gedanken erst mal ordnen. Gott sei Dank muss ich nicht mehr ins Hamsterrad Zeit und kann mich der Schnelligkeit, die sich schon bald selbst überholt, etwas entziehen. KI macht mich noch unsicher und bis auf wenige Bereiche, finde ich KI mehr Fluch als Segen.
Die Jugend wird sich reinfinden, so wie wir einst und auch jetzt.
Norm Core mag ich. Unaufgeregter Style und dennoch wieder cool.
Sodale, ich muss jetzt nachdenken über all das Du uns da in Deinen Beitrag vor die Augen geknallt hast. Sehr viel zum nachdenken aber so wahr und gut.
Happy new Week
Evelin
Marina
Liebe Conny,
dein Look zum Thema Normcore gefällt mir sehr und ist wirklich alles andere als langweilig. Ich liebe den Schnitt der Hose in Kombination mit dem Oberteil. Eine tolle Umsetzung.
Liebe Grüße Marina