Es gibt ja so gewisse Kindheitserinnerungen, die brennen sich ins Gedächtnis ein, obwohl man nie darum gebeten hat. Bei mir ist das das Bild meines Vaters, der in den 80ern stolz wie Bolle (zumindest in meiner Rückblende) mit seiner Herrenhandtasche durchs Leben marschierte.
Und bevor du jetzt ein stylisches Crossbody-Teil vor deinem inneren Auge siehst: Nope! Wir reden hier von einer klassischen Handgelenktasche. Ja, genau. So ein rechteckiges Lederkästchen mit Steckverschluss zum Absperren und mehreren Fächern, das er wie ein Handfesselchen am Gelenk trug. Die Älteren unter uns wissen, was ich meine. Die Jüngeren fragen sich wahrscheinlich: „Ist das ein Accessoire oder schon Freiheitsberaubung?“ Mit dieser Tasche jedenfalls hätte MacGyver vermutlich noch ganz andere Dinge gebaut – inklusive Fluchtwagen.


Mein Vater und seine pragmatische Ledermappe
Damals war das – sagen wir – nicht gerade ein Symbol für Coolness. In den 80ern war man entweder James Bond mit Aktenkoffer, Rocky mit Sporttasche oder Alf – der brauchte gar nichts, weil er eh immer zu Hause blieb. Und dann kam mein Vater: ein pragmatischer Mensch, der einfach eine Tasche wollte, in die der ganze Männerkram passte. Schlüssel, Geldbeutel, Pfefferminz (für spontane Sozialkontakte), vielleicht noch ein kleiner Taschenkalender oder was man damals als Mann halt so mit sich herumtrug.
Und ja, er trug das Teil voller Überzeugung. Ich war damals peinlich berührt. Alle anderen Väter hatten die Hände frei – meiner hatte sie besetzt mit einer Ledertasche. Ich schwor mir damals: Das erzähl ich NIEMANDEM!
Vom peinlichen Accessoire zum Streetstyle-Star
Fast forward ein paar Jahrzehnte. Und warum denke ich jetzt darüber nach? Weil die Herrenhandtasche tatsächlich ein Comeback hingelegt hat. Nur heißt sie jetzt natürlich nicht mehr „Herrenhandtasche“. Heute sagt man Messenger Bag, Crossbody Bag oder ganz lässig einfach „Bag“. Und sie hängt nicht mehr am Handgelenk wie ein angekettetes Haustier, sondern wird diagonal über die Brust geschnallt oder cool unter dem Arm geklemmt. Was früher nach Beamter auf Dienstreise aussah, ist jetzt Teil eines Streetstyle-Looks. Männer tragen Taschen! Öffentlich! Und ohne schlechtes Gewissen.
Während die Modewelt das Ganze als „neu“ verkauft, sitze ich hier und denke: Leute, das hatte mein Vater schon vor 40 Jahren drauf. Nur ohne Fashion-Hashtag und ohne Streetstyle-Label.

Warum Männer Taschen brauchen (aber es nie zugeben wollten)
Lass uns ehrlich sein: Männer brauchen Taschen. Sie haben nur jahrzehntelang so getan, als wären ihre Hosentaschen magische Schwarze Löcher, in die einfach alles passt. Schlüssel, Handy, Portemonnaie, AirPods (okay, die gabs früher noch nicht) – und dann wundern sie sich, warum die Jeans nach zwei Monaten schief hängt und beult.
Eine Tasche ist da einfach die logische Lösung. Wer einmal erlebt hat, dass ein moderner Mann mit einer Tasche plötzlich für alle Eventualitäten gewappnet ist (Sonnenbrille? Check! Handcreme? Check! Powerbank? Doppelt check!), der versteht, warum das Teil inzwischen überlebenswichtig ist.
Aber hier kommt der eigentliche Punkt: Warum ist das überhaupt so ein Ding? Ein Mann trägt eine Tasche – na und? Gesellschaftlich sitzen Männer noch immer in einem engeren Modekäfig als Frauen. Wenn eine Frau einen maskulinen Blazer oder Boots trägt, ist das cool oder maximal „burschikos“. Aber wenn ein Mann ein feminineres Detail aufgreift – und ja, eine Handtasche galt lange als „zu weiblich“ – wird er immer noch zu oft in die Gay-Schublade gesteckt. Frauen können mit Mode spielen, Männer dürfen nicht, ohne sofort bewertet zu werden.

Mehr Mut macht mehr Normalität
Gottseidank gibt es immer mehr Männer, die sich diesen überholten Konventionen einfach widersetzen und tragen, worauf sie Lust haben. Egal ob Tasche, Rock oder Nagellack – je mehr Männer mutig zeigen, dass es nur Kleidung ist, desto mehr Dinge werden irgendwann einfach… normal. Vielleicht hat mein Vater damals, ganz ohne es zu ahnen, einen winzigen Teil dazu beigetragen, dass die Herrenhandtasche heute kein großes Ding mehr ist.
Zurück zum Ursprung: die Handgelenktasche
Und trotzdem – bei allem Lob für Crossbody, Tote und Co.: Die wahre OG-Herrenhandtasche bleibt die meiner Kindheit. Minimalistisch, aber mit erstaunlich vielen Fächern. Rechteckig, mit Steckverschluss und Schlüssel. Kein unnötiger Schnickschnack. Der Inhalt? Mysteriös.
Wenn mein Vater sie heute noch trägt – und ja, das tut er gelegentlich – dann ist es fast rührend, weil er es nie aus modischen Gründen getan hat. Für ihn war das immer nur praktisch. Er hat das Ding nie abgelegt, auch nicht, als es komplett aus der Öffentlichkeit verschwunden war. Während andere Männer ihre Autoschlüssel in die Hosentasche stopften und dann meckerten, dass der Stoff leidet, blieb er seiner Handgelenktasche treu.
Ich glaube fast, er würde die aktuelle Entwicklung feiern. Vielleicht nicht die Preise von Designer-Bags, aber das Prinzip: Männer, die Taschen tragen. Hätte er damals Instagram gehabt, wäre er jetzt vermutlich ein kleiner Pionier-Influencer. #bagbeforeitwascool

Ein Bumerang namens Mode
Am Ende ist Mode oft wie ein Bumerang. Was einmal belächelt wurde, kommt irgendwann zurück – nur mit neuem Namen, schickerem Gewand und großem Getöse. Für mich waren Taschen bei Männern immer selbstverständlich, weil ich es eben so gelernt habe. Aber gesellschaftlich hat’s wohl ein paar Jahrzehnte gedauert, bis der Mann mit Tasche wirklich normal war.
Mein Vater ist der beste Beweis dafür, dass Trends sich immer weiterdrehen. Vielleicht sollte ich ihm tatsächlich mal eine moderne Crossbody-Bag schenken. Oder auch nicht – am Ende bleibt er doch bei seinem Klassiker. Wahrscheinlich würde er nur schmunzeln und sagen: „Siehste, ich hab’s schon immer gewusst.“ Eh so ein Lieblingssatz meiner Eltern.



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Wer noch alles der Herrenhandtasche verfallen war
Und ganz ehrlich: Ich bin mir sicher, mein Vater war nicht der Einzige. Irgendwo in Bayern, im Ruhrpott oder vielleicht sogar in einem kleinen Ort in Italien muss es damals tausende anderer Männer gegeben haben, die mit derselben Überzeugung ihre Herrenhandtasche getragen haben. Vielleicht saßen sie in Kneipen zusammen, die Taschen artig auf dem Schoß, während sie Karten spielten – und alle taten so, als sei das das Normalste der Welt.
Denn es ist ja nie nur ein einzelner Trend, sondern immer ein kleines Netzwerk von pragmatischen Pionieren, die nicht auf Coolness, sondern auf Funktionalität setzten. Und irgendwie haben diese Typen – bewusst oder unbewusst – die Basis gelegt für das, was heute wieder angesagt ist.

Und was war mit dem Opa?
Und wenn ich schon in meiner Familiengeschichte wühle: Mein Opa setzte damals noch einen drauf. Der hatte nämlich Autofahrer-Handschuhe – ja, die aus butterweichem Leder mit Lochmuster auf dem Handrücken. Während die Herrenhandtasche lange als uncool galt, waren diese Handschuhe damals der Inbegriff von Lässigkeit. Und, wenn wir ehrlich sind, sind sie das heute immer noch. Vielleicht ist das die eigentliche Lektion: Manche Accessoires brauchen nur den richtigen Moment, um ihren großen Auftritt zu haben – und andere behalten ihre Aura für immer.
Also, was meinst du? Gab’s bei dir in der Familie auch so ein legendäres Männer-Accessoire? Verrat’s mir gern in den Kommentaren: Wie stehst du zur Herrenhandtasche – und hast du vielleicht auch eine Geschichte dazu?
Ich wünsche dir einen wunderbaren Sonntag, viel Spaß beim Schwelgen in deiner eigenen Nostalgie.
Details rund um den Look

- Hose: Zara – ist schon bisschen älter und ich passe wieder rein. *Freude* – hier habe ich eine gelbe Leinenhose entdeckt (Affiliatelink) – und dieses Modell von Marc Cain ist weniger sportlich – auch chic (Affiliatelink).
Völlig anders – aber besonders und gelb außerdem im Sale ist diese Häkelhose von Sandro (Affiliatelink). - Blazer: Zara – hatte ich am Tag davor in FFM gekauft.
- Shirt: ??? – dieses weiße Polo bei Massimo Dutti – ist anders, aber soooo genial (Affiliatelink) und beim Breuninger dieses coole weiße Top gefällt mir auch. (Affiliatelink)
- Tasche: Valentino Garavani
- Sandale: Doc Martens

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folge von Durchbruch
Der Podcast für Frauen ab vierzig
Diese Folge ist ein bisschen wie ein Überraschungsei:
🧻 ein menschliches Bedürfnis,
📉 eine ordentliche Portion Reichweiten-Frust,
🍒 ein Teller mit drei Kirchen (äh Kirschen!)
und die Frage: „Warum macht man das eigentlich alles?“
Claudia und ich haben jedenfalls tief ins Chanel-Säckchen gegriffen (emotional, versteht sich) und ziemlich ehrlich über den Zustand unserer Insta-Realität, unseren Podcast und unsere eigene Relevanz geplaudert.
Kurz: Wer schon immer wissen wollte, wie es sich anfühlt, Content zu machen, den der Algorithmus nicht findet – hier gibt’s die Antwort. Und eine Einladung zur Diskussion:
Sollen wir überhaupt weitermachen? Oder lieber in den Podcast-Ruhestand schlurfen?
👉 Jetzt reinhören und gerne mal laut denken.

Guten Morgen liebe Connie
mein Papa trug in den 70ern bis weit in die 80er auch eine von diesen quadratischen Handgelenksbesschwerern. Irgendwann stieg er dann auf ein kleine ‚männliche‘ Tasche zum Umhängen um. Ganz rustikal von Globetrotter oder so. Dann kam ein kleiner Rucksack und jetzt braucht er leider nichts mehr.
Danke für die Erinnerung