Es gibt Tage, da bin ich stolz auf das, was ich geschafft habe. Leider sind das meist Tage, die ich falsch erinnere. Realitätsabgleich: Ich habe angefangen, meine Kleidung auszusortieren, habe dann aber irgendwo zwischen zwei Pullovern die Motivation verlegt. Die Unterlagen für meine Steuererklärung liegen fein gestapelt auf dem Esstisch, damit ich sie nicht vergesse – was super klappt, weil ich inzwischen einfach woanders esse. Auch diverse Bücher wurden angelesen, diverse Filme angeguckt bis zur „Handlung“, und mein Schreibtisch sieht aus wie der Tatort eines unerklärten Versagens. Dazu zählt eigentlich auch mein Kleiderschrank – aber dieses Chaos ist geordnet – denn angezogen bin ich täglich und das in der Regel nicht nur halb, sondern komplett. Vielleicht liebe ich Mode deshalb so: Sie ist das Einzige, was bei mir morgens nicht unentschlossen wirkt.

Die Kunst des Anfangens (und dann einfach was anderes machen)

Ich bin offenbar richtig gut darin, Dinge anzufangen. Dinge auch wirklich zu Ende zu bringen? Naja. Vielleicht ein andermal. Wenn ich richtig drüber nachdenke, würde ich wahrscheinlich nicht mal pünktlich zur Arbeit kommen, wenn mich der Stau nicht jeden Morgen wie ein Förderband in Richtung Eingangstür schieben würde. Und selbst dann dauert es nochmal eine halbe Stunde, bis mein Kopf dort ist, wo mein Körper schon steht.

Wäsche aufhängen? Klar. Also zumindest so halb. Die andere Hälfte liegt dann wie ein stilles Mahnmal im Wäschekorb, der ironischerweise direkt daneben steht.

Autorin in urbaner Umgebung mit grünem Mini-Bag und Statement-Kette – Mode als tägliches Ritual.

Die Hose, die zurückkam – mit Ansage

Die rote Hose also. Die habe ich im letzten Jahr bei Massimo Dutti in Madrid gesehen. Ich stand da – vor dem Spiegel in der Umkleide – und dachte: Wow. Und gleichzeitig: Du hast doch schon genug Hosen. Also ließ ich sie dort hängen. Zudem bin ich das erste Mal in meinem Leben nur mit Handgepäck gereist. Vernunft kann so grausam sein und sie kommt bei mir immer an in den falschen Momenten zum Tragen. Denn der Gedanke an die Hose ließ mich zu Hause natürlich nicht mehr los. Ich habe dann online gesucht. Und gesucht. Und gesucht. Wie eine mittelmäßig besessene Archäologin auf der Jagd nach verlorenen Kulturgütern. Und irgendwann Anfang August hatte ich sie gefunden. Bestellt. Endlich. Schon fast zu spät, wenn man bedenkt, dass im August die Tage wieder kürzer werden und dieser Monat von eher durchwachsenem Wetter geprägt ist.

Also ja, ausgerechnet diese Hose ist mein seltenes Beispiel für etwas, das ich nicht im halbfertigen Zustand gelassen habe. Wahrscheinlich trage ich sie deshalb mit einer Extraportion Stolz. Und Trotz. Zudem ist es ein Zweiteiler und das Leid des Handgepäckreisens habe ich euch natürlich bereits in einem Blogpost geklagt.

Portrait im Outfit des Tages – modisch durchdacht trotz innerem Chaos.

Einigermaßen komplett

Und das ist auch die Disziplin, in der ich mich jeden Tag selbst überrasche: Ich bin angezogen. Komplett. Nicht im Sinne von „Ich hab irgendwas übergeworfen, um bei Rewe nicht verhaftet zu werden“, sondern wirklich: Outfit durchdacht, Lippenstift passend, Tasche ausgesucht, sogar der Nagellack ist mit von der Partie (manchmal nur so halbseiden – aber auch egal).

Vielleicht ist mein morgendliches Styling einfach mein Alibi. Ich komme mir so wenigstens nicht komplett verloren vor, wenn ich den dritten Tag in Folge an einem halbgeschriebenen Text vorbei ins Badezimmer gehe, um meine Zahnbürste zu finden. (Die ich dann doch erst nach dem Kaffee benutze, weil Prioritäten wichtig sind.)

Mode ist für mich nicht Ausdruck von „Ich hab mein Leben im Griff“ – sondern eher so was wie: „Ich hab’s wenigstens versucht.“ Und genau deshalb funktioniert dieser Fashionblog-Alltag für mich: Ich schreibe über Mode, die mich im echten Leben begleitet – nicht als Show, sondern als kleine tägliche Rettung. Und natürlich, um mich selbst zu feiern bzw. mich davon abzuhalten, Angefangens zu beenden.

Streetstyle-Foto mit roter Hose, weißem Hemd und offenen Sandalen – bewusst lässig.

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Cleandesk und Chaos

Apropos Versuch: Im Büro wurde kürzlich die glorreiche „Cleandeskpolicy“ eingeführt. Heißt: Jeden Abend den Schreibtisch leer räumen, als wäre man nur zu Besuch in seinem eigenen Job. Theoretisch, weil am nächsten Tag jemand anders dort sitzen könnte. Praktisch, weil man sich dann wenigstens einmal am Tag dazu zwingt, seine Existenz zu ordnen. Ich ziehe das durch. Täglich. Mein Tisch ist abends so leer, dass ich mich fast frage, ob ich jemals da war.

Aber fragt bitte nicht nach meinem Schreibtisch zu Hause. Der lebt sein eigenes Leben. Da stapeln sich Papier, Kabel, Notizhefte und leere Tassen zu einer Art architektonischem Mahnmal meiner wahren Natur. Ich hab überlegt, ihm einen eigenen Instagram-Account zu geben. #cleandeskfail

Streetstyle-Foto mit roter Hose, weißem Hemd und offenen Sandalen – bewusst lässig.

Unfertig als Lebensentwurf?

Manchmal frage ich mich, ob das Ganze vielleicht einfach dazugehört, dass mein halbfertiger Lebensstil auch ein Schutzmechanismus ist. Solange ich Dinge nicht abschließe, kann ich mich wenigstens noch einreden, dass sie theoretisch ganz toll werden könnten. Es ist wie mit dem angefangenen Puzzle, bei dem man behauptet, es sei Kunst, wenn man nach 50 Teilen keine Lust mehr hat.

Und trotzdem, jeden Morgen …

… ziehe ich mich an. Komplett. Nicht perfekt, aber mit Absicht. Vielleicht ist das mein Beitrag zur Ordnung: Ein kleines Ritual im Fashionblog-Alltag, das mir zeigt: Irgendetwas läuft – auch wenn der Rest auf Pause ist. In rot. Und mit Lippenstift. Und wenn mich das nicht ins Paradies bringt, dann vielleicht wenigstens durch den Tag.

Wer erkennt sich in diesem halbfertigen Lebensstil wieder? Und wer denkt sich beim Lesen: Zum Glück bin ich nicht so? Erzählt doch mal – ich bin gespannt!

Danke, dass ihr bis hierhin gelesen habt – und vielleicht sogar mitgeschmunzelt habt. Ich wünsche euch einen wunderbaren, gut angezogenen Sonntag!

Details rund um den Look

Streetstyle-Foto mit roter Hose, weißem Hemd und offenen Sandalen – bewusst lässig.

Aktuelle

folge von Durchbruch

Also… Cla und ich haben mal wieder laut gedacht – und das Mikro gleich mitlaufen lassen. In dieser Folge reden wir über ein Thema, das uns nicht erst seit gestern beschäftigt: Sichtbarkeit. Oder besser gesagt: die Abwesenheit davon.
Vor allem, wenn man als Frau über 40 nicht gerade wild tanzend durch den Feed springt oder mit dramatischer Lebensgeschichte Schlagzeilen macht.

Denn ganz ehrlich: Reicht es denn heute nicht mehr, einfach man selbst zu sein? So mit Stil, Substanz und einem wachen Geist?
Spoiler: anscheinend nicht. Die Folge findest du wie immer überall, wo es Podcasts gibt – oder direkt verlinkt im Beitrag.

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3 Kommentare

  1. Liebe Conny,
    die # cleandeskpolicity bedingt aber auch, dass man sich mit dem Arbeitsplatz nicht mehr so gut identifiziert, da die Persönlichkeit fehlt. Das fördert das Gefühl, dass man sehr leicht ersetzbar ist, weil morgen ja schon jemand anders da sitzen kann.
    Und für dich mit den vielen Anfängen zum Trost: Du bist ein neugieriger , weltoffene Mensch,der immer mal wieder was Neues ausprobieren möchte. Wen interessiert da ein angefangenen Puzzle….schönen Sonntag!

  2. Liebe Conny, ich erkenne mich teils wieder. Dinge die schnell gehen und mich nerven, wie Wäsche aufhängen mache ich lieber gleich. Dinge die laange dauern, wie Kleiderschrank aufräumen oder aussortieren mache ich irgendwie immer. Weil ich es nie vollende. Wir leben mit vielen unfertigen Dingen, aber es lebt sich gut damit. Vielleicht geht es Dir auch so. Die Möglichkeiten sind immerhin offen es zu beenden, oder es sogar anders zu machen als geplant.
    Die rote Hose ist klasse und ich bin ein Fan von kurzen Blusen, hab aber irgendwie nur lange. Schöner Look, wirkt entspannt sommerlich.
    Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag, liebe Grüße Tina

  3. Liebe Conny,
    ein grandioser Text, das wahre Leben und du bringst mich damit zum Lachen.
    Die rote Hose steht dir wunderbar, die Suche hat sich gelohnt.
    Einen guten Start in die nächste Woche wünsche ich dir herzlich.

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