Social Media und Privatsphäre – nichts Neues. Trotzdem schauen wir immer wieder hin. Man scrollt durch den Feed, sieht das nächste Kleinkind beim Zähneputzen in der Instagram-Story, die Geburt live auf YouTube und die erste Trotzphase als monetarisierter Content in Reels verpackt. Applaus, Herzchen, Werbedeals. Und irgendwo daneben: ich.
Ich mach das jetzt seit über 12 Jahren. Meine Kinder waren sechs und acht, als ich mit dem Influencen (also eigentlich Bloggen) losgelegt habe – oder wie es manche nennen: mit dem öffentlich gemachten Privatleben. Und genau das ist für mich der springende Punkt: mein Privatleben. Nicht das meiner Kinder. Nicht das meines Mannes und auch nicht das unserer Beziehung. Und genaugenommen ging es mir nie darum, mein nur semi-spannendes Leben zu zeigen. Viel mehr wollte ich mich einfach über Outfits und Mode austauschen und hatte gedacht, dass es Menschen gibt, die das ebenfalls gerne machen wollen. So wie heute zum Beispiel über meinen Collegelook.

Ruby Franke und das Märchen vom Familienglück

Kürzlich hab ich diese Doku „Devil in the Family“ gesehen. Es geht um Ruby Franke, die mit ihrem YouTube-Kanal 8 Passengers Millionen von Menschen Einblicke in ihren Familienalltag gegeben hat – und am Ende wegen Kindesmisshandlung verhaftet wurde. Und plötzlich waren alle ganz entsetzt. Wie konnte das nur passieren? Ganz ehrlich? Weil’s halt vorher schon falsch war. Weil man nicht jahrelang das Leben seiner Kinder zur Reality-Serie machen kann und dann überrascht ist, wenn’s knallt. Aber weißt du, was mich wirklich stört? Der Aufschrei geht immer erst hinterher los. Davor: Alle schauen gerne zu – und finden die vermeintlich perfekte Welt sogar bewunderswert. So als ob das alles wirklich wäre. Wobei wir doch alle selbst wissen, wie schwierig manche Familienphasen sind. Die kann man sich nicht schönfiltern und letztlich sind sie so individuell wie wir Menschen selbst.

Der Algorithmus liebt’s intim

Das Bittere: Wer alles zeigt, wird belohnt. Wer den Streit mit dem Partner live dokumentiert, kriegt Beifall für „Authentizität“. Wer seine Kinder oder sich selbst beim Heulen oder bei der Einschulung filmt, bekommt Sponsoringangebote. Und ich? Ich zeig meine Outfits, meine Gedanken, meine Ideen – aber meine Familie bleibt, wo sie hingehört: in meinem Leben, nicht in meinem Content. Und das gilt nicht nur für die Kinder.

Auch mein Mann ist kein Nebencharakter in meinem Online-Ich. Ich erwähne ihn, klar. Ich rede über Beziehungsthemen, über unser Miteinander, über das, was mich beschäftigt – aber ich tu das immer mit dem Wissen: Der Mann hat einen Job. Der Mann hat Kollegen. Der Mann hat das Recht, nicht ständig Teil meiner Internet-Geschichte zu sein. Und das respektiere ich genauso wie seine Privatsphäre. Mehr Klicks gäb’s, wenn ich unsere Beziehung als Daily Soap in die Story knallen würde. Mit Drama, Tränen und versöhnlichem Knutschfilter. Aber ich kann und will das nicht. Weil ich’s nicht fair finde. Und weil ich morgens noch in den Spiegel schauen will, ohne mich mit dem Algorithmus um meine moralischen Restbestände zu prügeln. Und letztlich bin ich nicht der Typ für öffentliche Dramen.

Die stille Strafe für Rücksicht

Ich sag’s, wie’s ist: Es ist nicht cool, sich zurückzuhalten. Nicht auf Social Media. Wer klare Grenzen zieht, wird vom System nicht belohnt. Es gibt keine Likes für Privatsphäre, keinen Algorithmus-Bonus für Ethik. Und manchmal frag ich mich: Warum mach ich das überhaupt so? Dann schau ich meine Familie an – meine echten, nicht-öffentlich gemachten Lieblingsmenschen – und denke mir: genau deswegen. Zudem sind hier alle altersmäßig bereits so erwachsen und selbstständig, dass sie mich wahrscheinlich verklagen würden. Unser Fail in der Erziehung, uns war wichtig, dass die Kinder selber denken lernen und das haben wir echt gut hinbekommen.

conny doll lifestyle: Collegelook mit Sambas, Krawatte und Pullunder

Der Unterschied zwischen teilen und ausliefern

Ich teile gerne. Gedanken, Ideen, Mode, Haltung. Ich mag den Austausch, das kreative Pingpong, das Internet bietet. Aber ich verwechsle Teilen nicht mit Ausliefern. Und das ist, glaub ich, der Unterschied, der zählt. Ich finde: Es gibt einen Unterschied zwischen zeigen und verkaufen. Zwischen transparent und grenzenlos. Und auch wenn ich als Influencerin arbeite – meine Familie ist keine Marke. Mein Mann ist kein Story-Element. Okay, gelegentlich lässt er sich zu einem Statement in der Story hinreißen, weil ich wieder irgendeinen Schmarrn geredet habe – aber das entscheidet er ja selbst und auch nochmal, bevor ich die Sequenz in Insta überhaupt hochlade. Und natürlich sind auch meine Kinder keine Karrieresprungbretter.

Auf Social Media reicht es nicht, einfach glücklich zu sein.
Es muss entweder eskalieren oder zerbrechen – sonst klickt keiner.

Ist das eigentlich überall so schlimm – oder nur auf Englisch?

Die Fälle, über die wir gerade sprechen – Ruby Franke, die Hulu-Doku (in Deutschland übrigens auf Disney+) oder auch diese Doku „Bad Influence“ (auf Netflix) – das sind alles amerikanische Dramen. Und ja, Amerika hat nochmal andere Regeln, andere mediale Maßstäbe, andere alles. Da ist vieles erlaubt, was bei uns rechtlich gar nicht durchgehen würde. In Deutschland ist das Teilen von Kinderfotos ohne Zustimmung der sorgeberechtigten Person (aka: man selbst) schon jetzt eine wackelige Sache. Und in Frankreich gibt es inzwischen Gesetze, die die Bildrechte von Kindern auf Social Media ausdrücklich schützen. Richtig so.

Wenn’s menschelt, wird’s klickbar

Aber machen wir uns nichts vor: Auch bei uns funktioniert Aufmerksamkeit nach dem gleichen Prinzip. Es muss weh tun. Es muss näher wirken als gesund wäre. Und je abgründiger, desto besser fürs Engagement. Es geht auch gar nicht immer um Kinder. Es geht um Nähe, um Schmerz, um den perfekten Moment zwischen „Oh mein Gott, wie mutig!“ und „OMG, was für ein Drama!“. Bedürftigkeit verkauft sich gut. Tränen sowieso. Wer ein gebrochenes Herz ins Handy weint, kriegt Applaus – aber auch Meinungen. Tausende davon. Und natürlich nur für diese eine gezeigte Perspektive. Die andere Seite? Kommt selten zu Wort. Aber Hauptsache, alle fühlen sich berufen, dazwischen zu kommentieren, als wäre Instagram ein Gerichtssaal.

conny doll lifestyle: Collegelook mit Sambas, Krawatte und Pullunder - Modeblog, Beitrag über Social Media

Und ich? Ich bin doch auch Teil des Systems

Ich nehm mich da gar nicht raus. Natürlich bin ich Teil dieses Systems. Ich teile mein Leben – oder zumindest Ausschnitte davon. Bei mir geht’s um Outfits, um schöne Dinge, um diese kleinen Alltagsfluchten, die das Leben ein bisschen bunter machen. Nicht übertrieben, nicht dekadent – einfach so… wie für Menschen, die montags auch mal Tiefkühlpizza essen, aber halt mit schönen Schuhen dazu. Vielleicht ist mein Platz hier einfach zu normal. Zu wenig Drama. Zu wenig Chaos. Einfach echtes Leben. Ich brüll nicht, ich eskalier nicht, ich heul nicht live. Ich zeig einfach nur, was mir gefällt. Und das reicht halt oft nicht für die große Reichweite. Weil Schönheit in kleinen Dosen selten viral geht. Weil „gut geht’s mir“ kein Trending-Hashtag ist. Aber trotzdem bleib ich dabei. Weil es genau das ist, was ich zeigen will. Nicht, weil es knallt – sondern weil es mir gut tut. Vielleicht ist das mein stiller Protest in einem System, das vom Lärm lebt.

conny doll lifestyle: weite Bundfaltenhose, Jacke, Übergangsjacke, Vichy-karo, Sambas, Blogposst über Extreme bei Social media

Und jetzt mal ehrlich: Was macht das eigentlich mit uns?

Wenn wir ganz ehrlich sind: Wir schauen ja hin. Wir schauen oft hin. Und manchmal länger, als wir eigentlich wollen. Vielleicht, weil’s uns unterhält. Vielleicht, weil’s uns tröstet. Oder weil wir selbst grad keine perfekten Familienmomente haben und gerne kurz in ein anderes Wohnzimmer gucken. Ist okay. Mach ich ja auch. Vielleicht sind es auch diese kleinen, rechthaberischen Momente in uns – dieses „Hab ich’s doch gewusst!“-Gefühl, wenn der nächste Skandal hochkocht. Aber: Was passiert, wenn wir anfangen, das Normale nur noch durch den Filter der totalen Offenheit zu konsumieren? Wenn wir uns daran gewöhnen, dass intime Szenen fremder Menschen auf unser Smartphone gehören? Dass Kinder, Paare, Krisen und Tränen Content sind? Deswegen meine Frage:
Wie fühlt es sich für dich an, Teil dieses Konsums zu sein? Denkst du manchmal drüber nach, wann es zu viel ist – und was das bei dir hinterlässt? Ich freue mich wirklich sehr auf eure Meinung und wünsche euch einen wunderbaren Sonntag – danke für euren Besuch. Und jetzt, jetzt gibts aber echt noch die Details vom Collegelook.

Ich teile gerne schöne Dinge. Aber meine Familie ist kein Content-Format. Und mein Leben kein Casting für Likes.

Social media und Reichweite sind auch das Thema dieses Blogposts.


Details rund um den Collegelook

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🎙️ Neue Folge online – mit Schnurren, Schiff und Schokolade!
Wenn eine Katze die Anmoderation übernimmt und das Gespräch über Flusskreuzfahrten plötzlich in die ganz großen Themen des Lebens abbiegt – dann weißt du: Es ist wieder Podcast-Zeit mit Conny und Cla!

Wir reden über Mut, Komfortzonen, barrierefreie Schiffe (oder auch nicht), charmante Kaffeegespräche mit Fremden und warum du dich ruhig mal trauen darfst, jemanden zu fragen, ob er dir den Koffer in die Gepäckablage hievt. Spoiler: Die meisten sagen ja! Plus: Was passiert eigentlich, wenn man sich als Frau mit Macaron am Mundwinkel zu einem unbekannten Herrn an den Tisch setzt? Spoiler Nummer zwei: Auch da sagt kaum jemand nein.

Jetzt reinhören, zurücklehnen und mitgrinsen – und vielleicht bekommst Du danach Lust, mal wieder was Neues zu wagen. Und wenn’s nur ein Gespräch mit der Kassiererin ist. Oder eine Reise. Oder beides.

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8 Kommentare

  1. Liebe Conny, Du hast mir aus der Seele gesprochen, mein Mann, mein Sohn sind Familie, privat und nicht Teil meines Instagrams.
    Bitte weiter genau so!
    Liebe Grüße Elke

  2. Liebe Conny, du machst das genau richtig. Du bist greifbar und echt, man weiss zwar, dass du Familie hast und ob bei einem Kind grad Abitur ansteht, begleitet dich auf einem Spaziergang mit Boomer oder einer Ausfahrt mit deinem Mann (das find ich immer lustig), aber dein Privatleben bleibt privat und das deiner Lieben auch.
    Und das ist gut o und dafür würdest du eigentlich eine grosse Reichweite verdienen.
    Ich lese und sehe dich sehr gerne, hier und auf Insta….

    1. Liebe Eva, this means a lot to me. Wirklich. Ich habe immer das Gefühl, wenn ich das thematisiere, dann wirkt es beleidigt oder als ob ich den anderen diesen Erfolg nicht gönne. So ist es aber nicht – gar nicht. Letztlich muss ich ja in diesen Dingen bei mir bleiben und so agieren, dass ich selbst noch in den Spiegel schauen kann. Aber ich glaube auch, dass manche und das sind vielleicht sogar die meisten, diese Frage gar nicht erst stellen und sich deshalb auch darüber keine Gedanken machen. Und ich mache mir vielleicht zu viele.
      Deshalb danke für deinen Kommentar, es ist einfach so, dass ich damit dich und die anderen, die so denken erreichen möchte und nicht die, für die Clickbait die Wahrheit ist. Herzlicher Gruß, Conny

  3. Danke dir, das hast du sehr genau beschrieben. Natürlich wollen wir auch die Person zur Mode sehen, aber genau wie du schreibst: was du zeigen magst. Von dir, aber eben nicht von der Familie.
    Liebe Grüße
    Ilka

    1. Liebe Ilka, ja klar – es gehört auch dazu – weil, wenn das nur Modefotos sind, dann kann man sich auch auf die Seiten eines Modemagazins klicken. Da gibt’s natürlich einen Unterschied, wenn man die Outfits mit der eigenen Persönlichkeit zeigt. Aber es ist eben nur mein Ding und nicht das der restlichen Familie.
      Von Herzen, vielen Dank für Deine Worte, lieber Gruß, Conny

  4. Danke für die klaren Worte und deine klare Haltung.

    Bei manchen Insta Stories musste ich mich tatsächlich schonmal fremdschämen, wenn dort das Innerste nach außen gekehrt wurde und in die Kamera geschluchzt wurde.

    Den Austausch über Mode, Trends, Stil, Tricks wünsche ich mir auch weiterhin, und wenn er mit etwas Persönlichem ergänzt ist, das Dich betrifft und ausmacht, freue ich mich auch.

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