Ich hätte es wissen müssen. Damals mit 43 (also eigentlich noch 42 und ein bisschen), als ich diesen Blogpost geschrieben habe und dachte: Jetzt kommt sie, die Weisheit. Jetzt zieht sie ein, ganz nonchalant, mit einem Seidenschal und einem gepflegten Lächeln. Immerhin trug ich da schon Palazzohose mit Gummizug.
Und was kam? Graue Haare. Und Müdigkeit.
Acht Jahre später stehe ich da, nicht mit der Gelassenheit einer Gandalf-Variante in weiblich – sondern mit dem Rücken eines müden Ponys und einem Verfallsdatum, das langsam aber sicher die Verpackung durchweicht. Aber immer noch mit derselben Palazzohose.
Der große Durchbruch bleibt aus
Ich habe lange gewartet. Auf die innere Ruhe. Auf dieses Gefühl von „Ich hab’s raus“. Ich dachte, vielleicht braucht es einfach Zeit. Vielleicht passiert das mit 45. Oder 48.
Jetzt bin ich 50. Und Leute – ich hab’s nicht raus.
Was ich stattdessen habe, ist ein Arsenal an Hautpflegeprodukten, das aussieht, als würde ich damit ein mittelgroßes Labor betreiben.
Und das auch noch ganz ohne sichtbaren Effekt. Außer dass mein Badezimmer aussieht wie ein Douglas nach Feierabend.
Körper im freien Fall (und das ganz ohne Fallschirm)
Der menschliche Körper ist ja so ein Wunderwerk – aber leider eines mit begrenzter Haltbarkeit. Was mir jetzt ganz neu auffällt, sind Körperteile, von denen ich früher gar nicht wusste, dass sie schwerkraftabhängig sind.
Kniefalten. Ich spreche hier nicht von Falten auf den Knien, sondern Falten in den Knien.
Dann der Po – der früher frech nach oben zeigte und sich heute eher so benimmt, als hätte er einen Brief aus Hogwarts bekommen und müsse dringend nach unten in den Keller.
Und ja, meine Brüste. Ach, meine tapferen Brüste. Jahrelang haben sie durchgehalten. Zwei Kinder, Sport-BHs, tiefe Ausschnitte – sie haben alles mitgemacht. Aber jetzt?
Jetzt geben sie auf.
Und das spüre ich an Tagen, an denen ich nichts tue – und trotzdem Muskelkater habe, nur vom aufrechten Gehen mit eigenem Gewicht.
Ich sehe nichts – und das ist vielleicht auch besser so
Mein Sehvermögen hat sich übrigens ebenfalls verabschiedet.
Wie ein alter Freund, der sich irgendwann nicht mehr meldet, weil ihm alles zu anstrengend wird.
Ironischerweise ist genau das der einzige Trost: Ich sehe die ganzen Veränderungen ja gar nicht mehr so scharf.
Nur leider weiß ich, dass sie da sind. Ich fühle sie.
Beim Sitzen, beim Aufstehen. Beim Bücken.
Ich habe kürzlich einen Schuh zugebunden und kurz überlegt, ob ich danach ein Mittagsschläfchen machen sollte. Jetzt verstehe ich den Hype um Klettverschlüsse.
Der Widerspruch lebt und hat Hängehaut
Und das Schönste ist: Ich weiß ja, wie man mit all dem umgehen sollte.
Ich habe es auf Instagram gelesen.
Da steht: Selflove ist die neue Währung.
„Love your curves“, sagen sie. „Embrace the change“, sagen sie.
Und ich sag: Ja klar, aber wie genau? Mit einer Kuscheldecke und Baldriantee?
Es ist nämlich ein bisschen wie bei diesen Rezepten, bei denen die Hälfte der Zutaten fehlt – die Theorie ist nett, aber in der Praxis schmeckt es dann halt doch nach Mangelernährung.
Weisheit kommt nicht mit dem Alter –
sie kommt mit der Einsicht, dass man sie nicht erzwingen kann.
Die ewige Vergleicheritis
Mit 50 dachte ich: Jetzt bin ich über diesen ganzen Quatsch drüber.
Ich dachte, ich vergleiche mich nicht mehr mit Frauen aus Zeitschriften oder mit Kolleginnen, die scheinbar mühelos schlanker, fitter, jünger aussehen.
Aber guess what?
Ich bin immer noch drin.
Wie so ein Automat, der jedes Mal, wenn man eine Münze einwirft, dieselbe müde Figur ausspuckt: die, die sich vergleicht, die, die sich ungenügend fühlt.
Und Instagram? Ist das Schaufenster der Selbstzweifel.
Da sitzt sie, die halbe Welt: braungebrannt, in weißen Leinenkleidern, mit glowing skin und Cappuccino – während ich versuche, die Hose zu schließen, ohne einen medizinischen Notfall auszulösen.
Und was ist mit den Männern?
Man sagt ja gern, Männer würden mit dem Alter attraktiver.
Graue Haare? Charme. Falten? Charakter.
Und ich gebe zu – das ist nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Aber nur, wenn auch da jemand mit der Zeit geht – und zwar nicht im Porsche mit offenem Hemdkragen auf der Suche nach seiner verlorenen Jugend.
Sondern mit Haltung. Mit einem Funken Selbstironie. Und bitte ohne das Gefühl, die Welt schulde ihm automatisch Bewunderung, nur weil er älter wird.
Denn auch Männer machen sich Gedanken. Nur… irgendwie anders.
Da wird weniger verglichen, weniger zerlegt, mehr verdrängt. Und wenn dann doch die Haare gehen oder der Bauch kommt, wird der Gürtel ein Loch weiter geschnallt und nicht groß drüber geredet.
Vielleicht steckt da sogar eine gewisse Form von Weisheit drin – oder ein tiefsitzendes Unwohlsein mit Aufpreis.
Am Ende gilt wohl für beide Seiten:
Attraktiv ist, wer nicht stehen bleibt.
Wer bereit ist, sich weiterzuentwickeln – innerlich wie äußerlich.
Denn die Zeit läuft sowieso – aber ob man ihr entgegengeht das entscheidet jeder für sich.
Vergleichen ist wie Salz in den Kaffee kippen –
keiner weiß, warum man’s tut, aber es ruiniert den Geschmack.
Was hilft?
Jetzt könnte ich sagen: Therapie hilft. Oder: Gute Freundinnen.
Und das ist sogar beides wahr.
Denn was ich gelernt habe – und das meine ich wirklich ernst – ist:
Wir brauchen einander.
Wir brauchen die, die ehrlich sind. Die sagen:
„Hey, ich seh morgens auch aus wie ein gerupftes Huhn mit hormonellen Stimmungsschwankungen.“
Die, die dir sagen: Dein Bauch gehört zu dir. Und du bist trotzdem schön.
Denn in Wahrheit ist es nicht der Körper, der alt wird – es ist die Vorstellung, wie man auszusehen hat.
Die wird müde. Und das ist gut so.
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Alte Liebe, neuer Gummizug
Und damit zurück zur Mode – weil ja schließlich alles irgendwie mit Stil zu tun hat.
Meine Palazzohosen sind immer noch da. Die sind geblieben.
Die kneifen nicht. Die zwicken nicht. Die nehmen nichts übel.
Vielleicht ist das die wahre Weisheit: Kleidung, die dich in Ruhe lässt.
Ich trage sie jetzt mit noch mehr Überzeugung, mit noch flacheren Schuhen und noch weniger Sorge, ob das alles irgendwie „Figur macht“.
Weil ich einfach keine Lust mehr habe, mir selbst ständig auf den Keks zu gehen.
Mode trifft Erinnerung
Und weil das Leben manchmal einfach mitspielt – oder zumindest die Nähmaschine – darf ich voller Stolz verkünden: Die Palazzohose von damals ist wieder da.
Ja, genau die. Aus dem Jahr 2017.
Sie hat überlebt. Mich, meine Stilkrisen, meinen Versuch, mit 43 erhaben zu wirken, und ein paar weniger schmeichelhafte Versuche mit Formunterwäsche.
Was soll ich sagen? Ich habe ihr einfach einen neuen Gummizug gegönnt.
Ein kleines Detail, das alles verändert.
Kein Kneifen, kein Zwicken, kein „Ich atme nur noch halb, damit der Knopf hält“.
Diese Hose ist ein Symbol geworden: für Wandelbarkeit, für Komfort – und für meine ganz persönliche Wiedervereinigung mit einem Kleidungsstück, das sich nicht hat unterkriegen lassen.
Ein alter Look mit neuer Bedeutung
Und ganz ehrlich? Vielleicht ist genau das der wahre Stilgewinn mit 50:
Nicht neue Klamotten. Sondern alte Klamotten, die man endlich richtig behandelt. Ich freue mich, dass ich euch heute auch einen Look mit derselben Palazzohose zeigen kann – denn er beweist:
Manchmal braucht es keinen Neuanfang. Nur ein bisschen Gummi an der richtigen Stelle. Und wenn ich euch mit diesem Text ein kleines Lächeln entlockt habe – oder vielleicht sogar das Gefühl, dass ihr nicht allein seid mit eurer Selbstkritik und eurem etwas weicheren Knie – dann hat sich der Beitrag schon gelohnt.
Danke fürs Lesen, fürs Dabeibleiben und fürs Mitfühlen. Habt ihr auch so ein Kleidungsstück, das euch seit Jahren begleitet – vielleicht sogar mit neuem Gummi?
Ich bin gespannt auf eure Geschichten von Lieblingshosen, alten Freunden im Kleiderschrank oder diesen kleinen Rettungen in letzter Minute.
Ich wünsche euch einen entspannten, gnädigen, sonnigen (oder zumindest kaffeereichen) Sonntag.
Und denkt dran: Die Palazzohose vergibt alles. Ihr müsst nur den Gummi wechseln. Eure Conny
Details rund um den Look
- Palazzohose – ein Urlaubsmitbringsel aus Italien. Das sind für mich nach wie vor, die schönsten Urlaubserinnerungen – zumindest so lange ich noch reinpasse – oder wieder. Beim Breuni habe ich dieses coole Palazzohose mit Streifen (Affiliatelink) gefunden. Diese hier bei Momox ist second hand (Affiliatelink) und mit khaki sehr lässig
- Strickpulli: Marc O’Polo – ich bin in Love mit Lochstrick – beim Breuni gibts beide Farben noch – gelb und creme (Affiliatelink)
- Schuhe: Barbour – stammen aus einer Kooperation mit THE BRITISH SHOP
- Jacke: 10Days – ist schon bisschen älter und ich habe sie über Karin von Stilvoll Köln gekauft
Aktuelle
folge von Durchbruch
Der Podcast für Frauen ab vierzig
Neugierig, wie wir uns diesmal verzetteln?
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Und wenn’s dir gefällt: Abonnieren schadet nicht. Uns jedenfalls nicht. Und weitersagen wäre auch grandios.
Eines meiner ältesten Kleidungsstücke ist meine Jeansjacke, deren Ärmelkanten ich vor kurzem wieder geflickt habe. Die hab irgendwann so um 2005 gekauft…und ich mag sie immer noch.
So ein herrlicher und wahrer Text beim Kaffee heute. Liebe Grüße von einer noch 63jährigen.
Hallo liebe Conny …. Dankeschön für diesen schönen erfrischenden Beitrag. …und nein leider hab ich kein Kleidungsstück mehr von früher, weil ich nicht mehr reinpassen würde. 😂Selavie es ist wie es ist und das ist gut so, schöne Sonntagsgrüße von Helene
Liebe Conny
Ich versteh dich. Sehr gut. Ich bin 70. Meine beiden Knie haben mich verlassen und Prothesen ihren Platz überlassen. Desgleichen die rechte Hüfte.
Gummizughosen sind schon seit längerem meine treuen Begleiter, zum Glück gibt es die inzwischen auch in chic 🍀
Deine Palazzohose steht dir super, gut, dass du sie nicht weggegeben hast.
Schön ist dieser körperliche Abbau keineswegs, aber solange der Geist noch funktioniert will ich nicht zu laut klagen.
Ja, es stimmt, Altwerden ist echt ein Fluch und eine Herausforderung – aber nicht alt werden ist ja auch nicht gerade verlockend 🥺
Und ein kleiner Trost: Roter Lippenstift ist mit 40 toll, auch noch mit 50 – aber mit 70 erst recht! 💄
Liebe Conny,
du hast wieder den Nagel auf den Kopf getroffen – und das wie immer sehr unterhaltsam.
Ich bin 62 und habe viele „alte“ Kleidungsstücke. Zum Glück kann ich ein bisschen nähen und ändere von Zeit zu Zeit. Außerdem passt das meiste noch (Spruch einer lieben, älteren Kollegin: „Du nimmst vielleicht nicht zu, aber es verteilt sich neu.“).
Das älteste Kleidungsstück, an das ich mich spontan erinnere und das ich jeden Winter ab und zu trage, ist ein kastanienbrauner Stoffmantel im Blazerstil. Meine Mutter nähte ihn mir (sie ist Schneiderin) zum 22. Geburtstag. Er ist also 40 Jahre alt.
Schöne Grüße von Sabine
Liebe Conny, ich musste herzlich lachen, als ich deinen Text gelesen habe. Immer sehr amüsant. Ich bin 63, bin froh nicht ernsthaft krank zu sein und versuche positiv zu sein, trotz der schwierigen Zeit. Falten? Sch…. drauf 😊
Mode macht mir Spaß, ältere Sachen lasse ich oft von meinen Schneider ändern, so dass ich diese wieder trage.
Liebe Grüße, Birgit